Donnerstag, 30. Oktober 2008

wieder daheim

Seit einer Woche bin ich nun wieder zurück.
Samstag den 18.10. gings wie geplant zurück nach Yangon, wo ich noch zweieinhalb Tage Zeit hatte mich zu verabschieden. Der Montag war dann noch recht geschäftig, gefüllt mit Abschlussbesprechungen und Bürokram. Abends dann der Abflug über Bangkok zuerst einmal nach Amsterdam. Das Projekt wurde von MSF-Holland b.z.w. OCA, das ist das Operation Center Amsterdam, betreut, daher hatte ich dort auch noch einige Abschlussbesprechungen in denen ich die Möglichkeit hatte über meine Erfahrungen zu berichten, Fragen zu stellen und natürlich auch Fragen zu beantworten und manches zu diskutieren.
Abends gings dann weiter nach München, so daß ich Dienstag am späten Abend dann – zumindest körperlich – in meiner wunderbar geheizten Wohnung ankam.
Ja und da bin ich nun und versuche meinen Geist nachzuholen der noch zwischen dem Erlebten in Myanmar und zu Hause pendelt. Da Telefon und Internet noch nicht funktionieren hab ich auch viel Zeit mich mit dem Erlebten zu beschäftigen, Bilder zu sortieren und anhand von Notizen das ganze noch einmal durchzugehen.
Am 14.10., also einen Tag bevor wir das Projekt abgeschlossen haben, fand ich in Myanmar das Lichterfest, eines der größten Feste statt. Gefeiert wird das Ende der Regenzeit und damit das Ende der Ruhezeit (in der Regenzeit finden keine Feste, Hochzeiten oder ähnliches statt). Außerdem beenden die Mönche, die zur Regenzeit in die Klöster zurückkehren um zu meditieren, ihr Retreat. Wie der Name schon sagt wird das fest mit viel Licht gefeiert, überall werden Lampignons aufgehängt und Kerzen aufgestellt.
In vielen Dörfern fiel es den Menschen schwer das Lichterfest zu organisieren. Zum einen weil die traditionell verwendeten Materialien (Kostüme, Masken, Instrumente) zerstört waren, zum anderen weil Nargis den gewohnten Ablauf des Lebens unterbrochen hatte und es schwer war einen Neuanfang zu finden. Außerdem trauern die Überlebenden natürlich noch.
Wir haben daher die letzten zwei Wochen vor dem Feiertag unter anderem auch dazu verwendet die Festvorbereitungen zu unterstützen. So haben die Counsellor die Frauen angeregt Gruppen zu bilden (so wie bei uns „Festkomitees“) und abends durchs Dorf zu gehen um Kerzen und andere benötigte Dinge zu sammeln.
Wie wir gehört haben, wurde von vielen Dorfbewohnern berichtet daß dies das beeindrucken und schönste Lichterfest war an das sie sich erinnern könnten.
Eine „Heilung“ kann man mit solchen Projekten nicht erreichen, das war auch nicht unser Ziel. Unser Ziel war es, Bedingungen zu schaffen daß ein Heilungsprozess leichter in Gang kommt: Die Überlebenden aufzuklären daß sie nicht verrückt sind weil sie Nargis gedanklich immer wieder erleben, ihre Emotionen nicht wie gewohnt kontrollieren können oder nicht schlafen könnten. Ziel war es auch die Gemeinschaft und das Soziale Netz wieder soweit aufzubauen daß die Überlebenden, die tiefgreifendere psychische Folgen zu tragen haben darin aufgefangen werden könne.
Und das denke ich ist uns (zumindest in den meisten Dörfern) doch gelungen.
Leider ist es uns nicht gelungen eine Organisation zu finden die unser Projekt weiterführt da daß es außer msf zu wenige Organisationen gibt die in diesem Bereich arbeiten. Die Organisation die ich in der letzten Rundmail erwähnt hatte wird wohl noch etwas mit der Planung brauchen, so daß ich keine Übergabe machen konnte. Leider.
Insgesamt war unser Projekt in Labutta jedoch sehr erfolgreich und wir konnten vielen Menschen dort helfen wieder in ein geregeltes annähernd normales Leben zurückzukehren.
Für mich war die Zeit sehr lehr- und erlebnisreich. Und nachdem mir diese Arbeit – trotz der schwierigen Momente – doch viel Freude gemacht hat habe ich MSF bereits mitgeteilt daß ich – nach einer angemessenen Zeit zur Erholung – gerne in ein weiteres Projekt gehen würde.

Mittwoch, 15. Oktober 2008

die letzten Tage

Vergangenen Donnerstag (09.10.) war ich endlich wieder soweit auf den Füßen dass ich zurück nach Labutta konnte. Was vom Infekt noch übrig war (und in Restbeständen ist) ist ein wunderschöner Ausschlag an Arme und Beinen: sie sind leuchtend rot mit weißen Flecken. Sieht aus wie eine Pizza Margarita mit Mozzarella-Stückchen, ist aber ein so klassisches Dengue-Exanthem dass einige Kollegen in Yangon sich mit Fotoapparat und großer Begeisterung darauf gestürzt haben um es für ihre medizinische Bildersammlung aufzunehmen.
Ja und hier bleibt mir jetzt leider nichts anderes mehr übrig als das Projekt abzuschließen, da wir am 15.10. alle Aktivitäten im Delta beenden und am 18.10. für die meisten (auch für mich) ein Platz im der Hubschrauber zurück nach Yangon gebucht ist. Nur unsere Logistiker und die Projekt-Koordinatorin bleiben noch bis Montag, um die Reste „aufzuräumen".
So sitze ich jetzt an meinem Schreibtisch und beschäftige mich mit Papierkram wie Abschlussbericht und Abschlussstatistiken.
In die Dörfer werde ich -leider, da bin ich sehr traurig drüber - nicht mehr kommen, z. Teil aus gesundheitlichen Gründen, z. Teil weil die Zeit dafür einfach nicht mehr da ist.
Vergangenen Samstag kam die burmesische Koordinatorin, (wir arbeiten in einem Dreier-Team, zwei einheimische Koordinatorinnen und ich) die im Moment die Counsellor im Feld betreut um mir ein Update zu geben was in meiner Abwesenheit gelaufen ist.
Ich hatte in einem Training vor 3 Wochen mit ihnen besprochen dass wir den Schwerpunkt von der individuellen Beratung etwas mehr auf die soziale Arbeit verlegen, das heißt mehr "Gemeindearbeit" machen. Die Idee dahinter war dass wir vermutlich ohne Nachfolger das Projekt beenden müssen und daher irgendwie eine Möglichkeit brauchen, wie die Menschen sich selbst helfen können. Nachdem eine gesunde Dorfgemeinschaft gut in der Lage ist einige Menschen mit psychischen Problemen mitzutragen und in gewachsenen Dorfstrukturen, mit denen wir es hier ja zu tun haben, auch immer Ansprechpartner für Probleme existieren (traditionelle Heiler, ältere erfahrene Menschen) war bzw. ist es unser Ziel das alles zu reaktivieren.
Ein zweiter Punkt weswegen wir auch guten Gewissens die individuellen Gesprächen etwas reduzieren konnten war, das die Symptome, die direkt mit dem Trauma zusammenhingen wie Alpträume, Schlafstörungen und Flashbacks deutlich zurückgegangen sind und mehr die alltäglichen Probleme und die Zukunftssogen (in den meisten Dörfern konnte bez. nicht genug Wasser für die Trockenzeit gesammelt werden da es insgesamt wenig geregnet hat und die Menschen auch erst recht spät in die Dörfer zurück kamen) in den Vordergrund gerückt sind.
Mein Team hat jetzt in den Dörfern Jugend- und Frauengruppen initiiert, sie haben den Jugendlichen geholfen Sportplätze zu schaffen, auf denen diese Abends Volleyball bzw. Chin Lone, eine einheimische Ballsportart spielen können. Außerdem haben sie den Frauengruppen geholfen das Lichterfest, das die Tage stattfinden und das das Ende der Monsunzeit feiert - ist ein bisschen so wie bei uns Weihnachten, nur bei 30 Grad Außentemperatur - vorzubereiten. Auch haben sie kleine Frauengruppen organisiert die sich um die verwitweten (vor allem Männer) kümmern und ich hoffe das es dadurch gelingt die Männer wieder aus den Bierhallen (in denen entgegen dem Namen überwiegend Hochprozentiges ausgeschenkt wird – das ist hier nämlich deutlich billiger) herausbekommen.
Inzwischen deutet sich, weit entfernt am Horizont aber dennoch – die Möglichkeit ab das eine andere Organisation in der von uns betreuten Region ein psycho-soziales Projekt beginnt. Allerdings ist nicht ganz klar wann, und ich werde die Übergabe vermutlich erst in Yangon besprechen können. Aber wenn es klappen würde wäre das wunderbar.