Samstag, 3. April 2010

Ostern

aus Amman.

Hier ist der Frühling inzwischen schon fast vorbei, dieselben Blütenteppiche wurden in der Stadt schon von violetten abgelöst. Rosen und Jasmin blühen und duften überall.
Gestern waren wir in Umm Qais, eine frühere Römerstadt nahe der jetzigen Grenze zu Israel. Man hat dort eine wunderbare Aussicht auf den See Genezareth und die Golanhöhe, bei guter Sicht (und die hatten wir) kann man auch Syrien und ein bisschen Libanon sehen.


Amman ist eine Stadt in der es sich sehr gut leben lässt. Es gibt fast alles, manches (vor allem Gemüse, Obst und Fleisch) sogar in besserer Qualität als daheim.
Manches allerdings auch nicht, so sind die Häuser hier nicht für niedrige Temperaturen gebaut und ich war daher die vergangenen Monate sehr froh um meine dicken Socken und diverse andere wärmende Kleidungsstücke.
Die Stadt selber ist nicht wirklich schön (vor allem nicht fußgänger
freundlich - "Bürgersteige" braucht man hier um die darauf gepflanzten Bäume vor den Autofahrern zu schützen), aber im großen und ganzen freundlich. Vor allem ist sie sicher (auch weil die Polizeipräsenz sehr hoch ist).
Beim Taxi fahren (da wir ein Hotel und eine Klinik betreuen bin ich häufig mit dem Taxi unterwegs) ist die erste Frage meistens "woher kommst du?". Wenn die Fahrer Deutschland hören kommt meisten erst mal ein "ah, Mercedes" oder "ah, Ballack", dann folgt ein freundliches "Welcome in Jordan".
Mit "Welcome in Jordan" wurden wir auch gestern von den Soldaten an den Checkpoints im Grenzgebiet begrüsst - was für mich recht ungewohnt war, da sich das Verhalten grundlegend von meinen Erfahrungen im letzten Einsatz unterschied. Und dabei liegen nur ein paar Kilometer dazwischen!
Touristen sieht man auf der Straße eher wenig, aber dafür die verschiedensten "arabischen" Kleidungsstile: die Frauen von sehr figurbetont mit Higheels und langen wild gelocktem Haar bis völlig verschleiert, Männer in westlicher Kleidung oder im Kaftan, beides mit und ohne Kufiya (das ist das Kopftuch für Männer das entweder offen mit Kordel oder als Turban getragen wird)

Auf jeden Fall macht mir meine Arbeit hier immer wieder klar was Krieg für den den Einzelnen persönlich bedeutet und dass er, egal aus welchen Grund, keine Lösung ist. Wenn ich die zerstörten Gesichter, Körper und Schicksale der Kinder und auch der Erwachsenen sehe, dann kann es das einfacht nicht wert sein: wir haben grad eine Patientin, der der Großteil der Nase und beide Hände fehlen - das restlich Gesicht ist völlig vernarbt - sie bekommt gerade einen "Handersatz", d.h. ein Arm wird so rekonstruiert dass sie mit dem Stumpf zumindest eine Greiffunktion hat.
Die vergangenen Tage fuhr ein junger Patient zurück nach Hause der, als er kam, sich kaum bewegen konnte, da an beiden beide Beinen (vollständig) Verbrennungen dritten Grades (d.h. offene Wunden) hatte - nach 9 Monaten Behandlung konnte er jetzt - mit Krücken, aber immerhin - auf eigenen Beinen nach Hause gehen.
So können wir doch einiges für unsere Patienten erreichen - auch wenn es nur die Spitze des Eisberges ist. Den Berichten nach gibt es gerade in den Grosstaedten Ira.ks inzwischen tausende von Straßenkindern - etwas was für muslimische Kulturen eigentlich ungewöhnlich ist, da verwaiste Kinder immer von Verwandten aufgenommen werde. Inzwischen ist die Bevölkerung allerdings so verarmt (und die Familien so zerbrochen) das sie zusätzliche Kinder nicht mehr mitversorgen können - also leben die Kinder auf der Strasse und tun das was Straßenkinder überall tun - sie werden drogenabhängig (meistens Klebstoff - der ist billig) und verdienen sich ihren Lebensunterhalt mit Prostitution.
In die Schule gehen nur noch wenige Kinder - der Weg ist zu gefährlich. Mehrere unserer jungen Patienten wurden Opfer von Autobomben oder Schießereien auf dem Weg zur Schule.

Beeindruckend ist für mich immer wieder mit wie die Menschen mit ihrem Schicksal umgehen. Die Anzahl der Patienten mit psychiatrischen Folgen (posttraumatisches Stresssyndrom, Angststörungen, Depression) ist deutlich geringer als es den europäischen Statistiken nach erwartet hätte. Und denen, die Symptome haben ist oft mit wenigen, einfachen Techniken zu helfen - und sei es nur dass hier die Flugzeuge die die Stadt überqueren nicht potentielle Bombenwerfer sind und ein Rasseln auf de rStrasse nicht bedeutet dass ein Panzer vor der Türe steht.

Ansonsten bin ich gerade dabei mein Team völlig umzustrukturieren - wir hatten zwei Psychologen und zwei "Animateure". In der Zwischenzeit hat ein Psychologe (er war mit den neuen Arbeitsbedingungen nicht zufrieden) und die zwei Animateure (beide wollen heiraten, eine geht dann nach England) gekündigt. Die Gelegenheit hab ich genutzt um das Team etwas zu verkleinern und dafür die Qualifikationen zu verbessern: in Zukunft werden es drei Psychologen sein, die die Patienten betreuen.

Und da das die es etwas dauern wird bis das neue Team trainiert und zusammengewachsen ist habe ich meinen Vertrag um drei Monate (bis Ende August) verlängert.

Ich werde allerdings Ende Mai / Anfang Juni für ein paar Tage nach Hause fliegen, um meine Winter- gegen Sommerkleidung auszutauschen und vor allem Familie und Freunde zu treffen (!!!!)

Dienstag, 9. Februar 2010

Nach langer Pause diesmal eine kurzer Bericht ( längerer folgt demnächst - versprochen!) mit einem Link:

http://videos.tf1.fr/sept-a-huit/les-nouvelles-gueules-cassees-5676705.html

Vor einigen Wochen war eine französisches Filmteam (TV1, einer der französischen Hauptsender) hier. Der Film lief nun vor 2 Tagen im Fernsehen und ist für ein-zwei Wochen als Link im Internet. Er ist auf französisch und ich persönlich finde nicht alles gut, aber er ist sehr informativ und gibt einen guten Überblick über unsere Arbeit hier (ich denke auch wenn man kein französisch spricht).
Abgesehen davon sind zwei Mitglieder meines Teams zu sehen ( :-) ), eine Animateurin und der Psychologe.
Filmdauer ist 20 min.

Ansonsten macht die Arbeit (auch wenn viel zu tun ist - ich kam bisher nicht dazu eine längeren Bericht zu schreiben) nach wie vor Freude. Das Team ist hervorragend und wir können - im Gegensatz zu meinem vorherigen Projekt - auch viel miteinander unternehmen. Sightseeing, Kino (auch den neuen 3D-Film), Essen gehen oder gemeinsam kochen - ist ein guter Ausgleich zu dem täglichen Leid was man so sieht und mitbekommt.

Inzwischen hab ich auch (die ersten zwei Monate war ich beschäftigt die Abteilung zu reorganisieren) begonnen selbst mit Patienten zu arbeiten.

Aber mehr dazu demnächst - Inshallah